Sonntag, 21. April 2013
Der Sonnenaufgang verzögert sich, das liegt
wohl daran, dass wir immer weiter nach Norden kommen. Und die Fliegen wissen
wieder, was sich gehört und kommen erst nach der Sonne.
Immer wieder sitzen Kängurus auf der Straße
und rennen dann, wenn wir nahe genug sind, schnell weg. Kühe kreuzen unseren
Weg, da sind es nur die Kälber, die rennen, die großen Tiere fallen eher in
eine Art Trab, wenn ein Auto ihnen zu nahe kommt. Und immer wieder Budgerigar,
Wellensittiche.
Auf 160 Kilometer erstklassiger Gravelroad
folgen 165 Kilometer schlechter "One Lane Bitumen" Straße - fragt
sich, was besser ist.
Wir wollen eigentlich im "Flora River
Nature Reserve" übernachten, dort gibt es einen Campground mit Duschen und
Trinkwasser, sehr verlockend, vor allem die Aussicht auf eine Dusche. Außerdem
geht unser Frischwasser allmählich zur Neige, da ist es gut, wenn wir nichts
entnehmen müssen. Am Hwy ein großes Hinweisschild, 300 m später eine
Informationstafel. 36 km später stehen wir vor dem Park. Das Gate ist zu, ein
Schild sagt "Park closed". Das hätten sie auch an ihre
Informationstafel schreiben können. Also alles wieder zurück und auf dem Hwy
weiter nach Katherine. So haben wir wenigstens Kommunikationsmöglichkeiten.
Samstag, 20. April 2013
In der Nacht war es sicherlich fünf Grad
wärmer als gestern, eher noch mehr. Außerdem klappt das mit den Fliegen nicht
immer: Heute stürzen sie sich auf uns, als wir uns zum Frühstück hinsetzen,
deutlich vor Sonnenaufgang. Störender allerdings sind ein paar Leute, die genau
zum Sonnenaufgang auf dem schönsten Felsen hier herumturnen müssen, so dass ich
nicht fotografieren kann (denn Bildbearbeitung ist mein Ding nicht, das sieht
man bei mir immer).
Gemütlich fahren wir nach Norden. In
Tennant Creek besuchen wir den Lake Mary Ann, danach die Telegraph Station. Sie
wurde 1935 offiziell aufgegeben und an einen Metzger vermietet, der dort seine
Waren verkaufte. 1972 holte sich die Telekom das Gebäude zurück und übergab es
dem Staat zur Erhaltung. Der Bauzustand ist noch original, nur
Ausbesserungsarbeiten werden vorgenommen. Bei Barrow Creek gestern war 1942 das
Dach von Soldaten ausgetauscht worden, diese Version schützt das Haus noch
heute. Wellblechdächer sind nicht so schlecht wie wir Europäer meinen.
Im Renner Springs Roadhouse kaufe ich mir
eine zweite Brille, mit etwas dünnerem Gestell und einer festen Hülle. Das
sollte jetzt aber reichen.
Nach dem Verlassen des Stuart Hwy kurz nach
Dunmarra suchen wir uns am Rande des Buchanan Hwy eine Bleibe für die Nacht -
und finden sie auch.
Freitag, 19. April 2013
Und wieder sind wir zum Aufbruch bereit,
bevor die Fliegen uns nerven können. Da kommen zwei Radfahrer, sie sind heute
Morgen in Alice Springs losgefahren und haben jetzt die giftigen Hügel nördlich
von Alice Springs in den Beinen und eine Pause verdient -um Viertel nach sieben! Brigitte
fotografiert sie vor dem Tropic-Monument, dann tauschen wir uns noch ein wenig
aus. Die beiden, so um die 50, sind von Philip Island, sind nach Adelaide
geflogen und wollen nach Darwin radeln. Von dort geht es mit dem Flugzeug
zurück in den Süden und in die Kälte. Ihre Räder tragen zusätzlich zum Fahrer
jeweils um die 25 kg Gepäck, das will erst mal bewegt sein. Sie fahren je nach
Gegenwind zwischen 100 und 170 km pro Tag, ein gutes Tagespensum.
Wir fahren etwas mehr, aber wir müssen ja
auch nicht selbst treten. Und so kommen wir mit unserem üblichen 60er Schnitt
in Richtung Norden voran. In Aileron, auf der Red Fruit Farm bei Ti Tree und in
Barrow Creek legen wir eine längere Pause ein.
Unser heutiges Tagesziel sind des Teufels
Murmeln etwa 80 km südlich von Tennant Creek, wo wir eine von vielen Camping-Parteien
sind. Die meisten haben einen Caravan, dazu kommen unser Troopie, zwei
Campervans und ein Dachzelt. Jemand spricht uns an wegen des Fliegennetzes, das
gefällt ihm und er wird es sich für seinen Troopie auch zulegen.
Die Steine sind wieder richtig
beeindruckend, das hatte ich völlig vergessen. Der Granit, aus dem die Murmeln
sind, ist sehr alt, etwa 1,6 Mrd. Jahre, deshalb ist das Marterial auch extrem
hart, um einiges härter als der Sandstein in ihrer Umgebung. Durch Magmadruck
wurde der Granit nach oben gepresst in die Sandsteinschicht hinein. Beim
Abkühlen gab es an der Oberfläche Risse, sogenannte Joints. Diese Risse
verlaufen etwa rechtwinklig zueinander. Im Laufe der Jahrmillionen wurde die
den Granit bedeckende weichere Schicht aus Sandstein und Lehm weggewaschen. Der
Granit war direkt dem Einfluss von Wind und Regen ausgesetzt und durch die
Joints auch angreifbar. Besonders an den Ecken, wo sich die Joints treffen,
wird viel Material wegerodiert und so bleiben Rollen und runde Steine übrig,
die teils aufeinander liegen. Die Größe der Murmeln reicht von 20 und 500 cm
Durchmesser oder sogar noch mehr. Der Name "Devil's Marbles" wurde
Mitte des vorletzten Jahrhunderts erstmals dokumentiert.
Donnerstag, 18. April 2013
Zehn vor acht stehen wir bei Intune im Hof,
20 Minuten später sind wir in Alice Springs, es gab einen Lift zurück in den
Ort.
Wir haben unseren "Stool", also
den Tritt, um leichter in den Landcruiser zu kommen, auf dem Campingplatz
vergessen. Ob er heute Abend noch da ist?
Mails lesen, rumlaufen. Wir sehen uns eine
Kirche a, Our Lady of the Sacred Heart, wir besuchen zwei Geschäfte mit
Gemälden von Aboriginal (wirklich
begeisternd, aber wie sollen wir das nach Deutschland transportieren?), wir
besuchen das Floyd-Haus, das erste Krankenhaus in Zentralaustralien. Floyd hat
das Haus nach eigenen Ideen bauen lassen, es hat ein Belüftungssystem, das
durch den Kamineffekt funktioniert. Damit wollte Floyd den beiden
Krankenschwestern und den Patienten das Leben im heißen Sommer erleichtern.
Warme Luft steigt auf. Erreicht man jetzt a), dass die warme Luft nach oben aus
dem Haus entweichen kann und b) dass unten kalte Luft angesaugt und in die
Zimmer verteilt wird, hat man eine Klimaanlage ohne Energieeinsatz. Floyd
erreichte a), indem er auf das eigentliche Dach ein Obergeschoss setzte, das
oben eine offene Galerie hat und b), indem erstens im Erdgeschoss (australische
Häuser haben i. A. nur ein Geschoss) die Fenster nicht zu öffnen waren und
zweitens alle Zuluft durch den Keller eingeleitet wurde, wo sie mittels nassen
Sackleinens gefiltert und gekühlt wurde. Das Tolle daran: Es hat funktioniert,
und es würde noch immer funktionieren, wenn jemand im Keller wieder
entsprechende Vorkehrungen treffen würde.
Floyd hat sich auch für die Einführung der
Funktelegraphie stark gemacht, weil er gesehen hat,wie hart das Leben auf den
Telegraphestationen war. Und er ist einer der geistigen Väter des RFDS, des
Royal Flying Doctor Service, denn er sah, wie wichtig es ist, Ärzte bzw.
Krankenpflegerinnen und Patienten schneller zusammenzubringen.
Um die Mittagszeit, als wir vom Anzac-Hill
auf Alice Spring herunter sehen und alles zum Greifen nah scheint, entschließe
ich mich, zum Campingplatz zu gehen und den Stool zu holen. Es sind nur 5 km.
Nach einer Stunde bin ich dort, kann mich etwas abkühlen, den Stool, der Gott
sei Dank noch auf unserem Stellplatz liegt, mitnehmen und zurückgehen. Zum
Glück nimmt mich jemand vier Kilometer im Auto mit.
Kurz nach vier rufen wir bei Intune an,
weil sich noch niemand gemeldet hat. Unser Troopie ist fertig. Sie haben wohl
vergessen, uns zu benachrichtigen. Nichts wie hin und dann ab nach Norden. Aber
nur bis zum Tropic of Capricorn, dort darf man am Rande des Stuart Hwy
übernachten. Wir sind rund zehn Meter in den Tropen. Auch in dieser Nacht sind
wir nicht alleine, nach und nach kommen noch drei weitere Autos an. Mit
Sonnenuntergang kommen von Südwesten dichte Wolken, aber sie bleiben vorläufig
in den Subtropen.
Und wirklich, schon zwei Stunden später ist
der Himmel wieder klar und die Sterne strahlen. Der Mond, obschon nur halb
(+1/14, gestern war Halbmond), macht alles so hell, dass Taschenlampen
eigentlich unnötig sind - was manche Menschen anders sehen.
Mittwoch, 17. April 2013
Beim Frühstück tricksen wir die Fliegen
aus: Wir sind einfach früh genug dran, früher als sie aus ihrem Nachtquartier
auftauchen. Überhaupt: Wo sind die Fliegen in der Nacht? Etwa 10 Minuten nach
Sonnenuntergang sind sie plötzlich verschwunden, 15 Minuten nach Sonnenaufgang
sind sie ebenso plötzlich wieder da - wo sind sie in der Zwischenzeit? Das ist
wahrscheinlich eines der großen, ungelösten Probleme.
Bis Alice Springs sind es jetzt nur noch
250 km, davon sind 125 km einspuriges Bitumen mit breitem rotem Randstreifen,
aber unangenehmem Höhenunterschied zwischen Bitumen und Gravel. Aber das ist
auch wenn uns oft jemand entgegen kommt, immer noch besser als die Dirtroad
zuvor, die wirklich nicht in gutem Zustand ist, steinig und mit vielen
Querrillen, wir werden nochmal ordentlich durchgeschüttelt. Dabei ist es egal,
ob wir 40 oder 70 kmh fahren.
Am Campingplatz sieht man deutlich, dass
inzwischen die Saison angefangen hat. Dort, wo wir Ende Januar zwei Nächte
mutterseelenalleine standen, ist jetzt gerade noch ein Platz für uns zwischen
Wohnwagen aus Queensland und NSW. Es ist Ferienzeit und angeblich hier im Red
Centre nicht mehr so warm. Ich kann allerdings keinen großen Unterschied
feststellen, zumindest nicht, so lange die Sonne scheint. Waschtag, diesmal
sind auch die Schlafsäcke dran. Bis zum Abend ist alles trocken und verstaut
und auch unsere Vorräte sind wieder aufgefüllt.
Auf dem Platz ist es unglaublich laut und
unglaublich hell. Mal abgesehen davon, dass wir ja unter Bäumen stehen, ist
wegen des vielen Streulichts kaum etwas von den Sternen u sehen. Und nachts
muss ich sogar den Vorhang hinten zumachen, weil der Nachbar sein Außenlicht
die ganze Nacht brennen lässt. Wir sind wohl schon ein wenig verwöhnt.
Dienstag, 16. April 2013
Beim Frühstück gesellen sich ein Schwarm
Budgerigars zu den Nyiwarri (=Zebrafinken in der Sprache der Kalinjiri People).
Blitzschnell ziehen sie über uns ihre Kreise, je nach Richtung zur Sonne
blinken sie smaragdgrün. Diesmal landen sie einigermaßen nahe, mal sehen, was
daraus wird.
Tanami Road - niemand konnte mir bisher
sagen, wie der Name auszusprechen ist. Manche betonen ihn auf der ersten Silbe
und sprechen die Vokale englisch aus, andere sprechen den Namen so wie ihn ein
Deutscher aussprechen würde, was ich anfangs getan habe, jetzt habe ich mich an
die andere Aussprache gewöhnt. 1.000 km Staub und Gerüttel und immer wieder
entgegenkommende Roadtrains. Die Tanami ist wegen der geringen
Niederschlagsmenge und fehlenden Grundwassers für Land- und Viehwirtschaft
ungeeignet. Auch gibt es wenig
Bodenschätze - nur eine Goldmine liegt am Weg. Es wirkt wie eine
ziemlich verlassene Gegend. Die Karte weißt immer wieder Orte aus, Communities,
um genau zu sein, doch es gibt keinerlei Hinweisschilder und eigentlich auch
keine Zufahrtswege. Die Aboriginal schotten sich ab, so scheint es jedenfalls.
Zur Zeit ist es grün, doch je weiter wir
nach Süden kommen, desto mehr färbt sich das Gras ins Gelbe. Wir fahren durch
weite Ebenen mit grünen Büschen, rotem Sand und gelben Grasähren - und roten
Termitenhügeln aller Größen, darüber wölbt sich ein wolkenloser blauer Himmel.
Herrlich.
Am späten Nachmittag ziehen Wolken auf,
doch schon beim Sonnenuntergang haben sie sich aufgelöst.
Ein Stück abseits der für hiesige
Verhältnisse stark befahrenen Straße finden wir einen schönen Platz für heute
Nacht. Kurz nach unserer Ankunft stürzen sich die Fliegen auf uns. Joelle hatte
es angekündigt.
Montag, 15. April 2013
Heute verlassen wir WA zum dritten Mal in
Richtung NT und nach unserem Ermessen auch zum letzten Mal. Wir fahren durch
die Tanami Desert. 1.000 km Gravel Road etwa der gestern beschriebenen Qualität
liegen vor uns. Wenn alles klappt wie gewünscht, sind wir Mittwoch Abend in
Alice Springs. Die Tanami ist eine der großen Halbwüsten Australiens, sie stößt
im Westen an die "Great Sandy Desert", im Osten an die Simpson
Desert, im Süden an die Victoria Desert und verläuft sich im Norden in den
Einzugsbereichen von Victoria und Katherine River. Das Gebiet ist fast
vollständig den Aboriginal überlassen, deshalb gibt es hier aus westlicher
Sicht einfach nichts. Die Tanami hat in ihrem nördlichen Teil, den wir heute
durchfahren, einen jährlichen Niederschlag von rund 300 mm, dieser Regen fällt
in den Sommermonaten Dezember bis März. So ist es jetzt richtig schön grün,
manche Eukalyptus blühen und auch die "Native Cotton" zeigt ihre
zartrosa und malvenfarbenen Blüten. Das Gras ist bereits verblüht und hat seine
Samen verstreut, die Stängel sind braun und sterben ab.
Auf unserem Weg kommen wir am Wolfe Creek
Crater vorbei. Hier ist vor 300.000 Jahren ein Meteorit eingeschlagen und hat
eine kreisrunde Einschlagstelle, umgeben von einem etwa 50 m hohen Wall,
hinterlassen. Durch Bohrungen konnte nachgewiesen werden, dass der Einschlag
von einem Meteor stammt, es gibt tief unter dem Krater, aber auch in der
Umgebung, eisenhaltige Reste. Der Krater ist ein natürlicher Wasserspeicher mit
allerdings stark salzhaltigem Wasser. Seit er als Naturschutzgebiet der
Tierhaltung nicht mehr zur Verfügung steht, ist er auf dem Weg zurück zu seiner
ursprünglichen, also "vor weißen" Form: bewachsen mit Bäumen und
hohen Sträuchern, die mit dem hohen Salzgehalt des Bodens zurecht kommen.
Heute hat es geklappt: Ich habe rechtzeitig
vor dem Adler angehalten und er ist lange genug mit seinem Opfer beschäftigt
gewesen, um mir als Fotoobjekt zu dienen. Auch ein Bustard, ein ziemlich großes
Exemplar, ist nicht gleich weggeflogen, als ich angehalten habe. Gemessenen
Schrittes machte er sich zur Seite davon, als ich ausgestiegen bin.
In der Nähe eines Wasserlochs finden wir
einen schönen Stellplatz für heute Nacht. Bei unserer Ankunft schrecken wir
einen großen Wasservogel, einen Egret vielleicht, auf. Vielleicht kommt er
wieder. Zebrafinken sitzen in den Bäumen, die Luft ist erfüllt von ihrem
Gezwitscher. Überall sind Fußspuren von Kängurus und Droppings liegen zwischen
dem Gras.
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